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Mit der Insulin-Pumpe im Flugzeug – Ein Kommentar

29.02.2012 Eine vielbeachtete Publikation zur Insulinabgabe durch Insulinpumpen bei Reisen im Flugzeug hat bei Betroffenen Verunsicherung hervorgerufen.  Ein erläuternder Kommentar zu diesem Sachverhalt ist daher dringend erforderlich. 

Entsprechend den Daten der Arbeit von King et al. entsteht beim Aufstieg des Flugzeuges eine zusätzliche, ungewollte Insulin-Abgabe von 1,1 bis 1,4 Einheiten und beim Landeanflug ein Minus von 0,6 bis 0,9 Einheiten Insulin. Diese Mehr- bzw. Minderabgabe von durchschnittlich 1 Einheit Insulin ist im täglichen Leben eines Menschen mit Typ 1-Diabetes in Anbetracht der Variabilität des täglichen Insulinbedarfs und auch der variablen Insulinwirkung kaum von Bedeutung.

Man bedenke nur, dass bei der Blutzucker-Selbstmessung auch mit den besten Geräten von einer Mess-Ungenauigkeit von 15% auszugehen ist. Mein Freund und Kollege Irl Hirsch von der University of Washington (Seattle, USA), ein Spezialist auf dem Gebiet des Typ 1-Diabetes und der Behandlung mit Insulinpumpen, hat in einem Kommentar zu der Publikation von King et al. außerdem darauf hingewiesen, dass auch bei gleichem Essen und gleicher  körperlicher Belastung die erforderliche Insulindosis täglich etwas schwankt. Dazu kommt, dass unter dem Stress einer Flugreise, den dabei etwas veränderten Mahlzeiten und Essenszeiten und auch den Anreisebedingungen von Variationen des Insulinbedarfs auszugehen ist, die 1 Einheit nach oben oder nach unten übersteigen.

Die Arbeitsgemeinschaft diabetologische Technologie (AGDT) hat ferner darauf verwiesen, dass die Autoren die Insulinabgabe unter experimentellen Bedingungen in einem offenen System getestet haben: die Insulinpumpe mit dem Infusionsschlauch wurde in eine Druckkammer gelegt und die abgegebene Insulinmenge gemessen. Unter realen Bedingungen ist das System aber mit dem Unterhaut-Fettgewebe des Patienten verbunden, so dass ein Gegendruck vorliegt. Die tatsächliche Mehrabgabe von Insulin beim Aufstieg des Flugzeugs dürfte damit unter 1 Einheit liegen.

Resümee: Eine interessante Publikation von King et al., aber meine persönliche Empfehlung ist, die Insulinpumpe bei Flugreisen nicht abzukoppeln. Anders allerdings bei einem Sturzflug: Sollte eine solche Katastrophensituation auftreten, so würde ich sicherheitshalber empfehlen, den Schlauch der Insulinpumpe vom Körper zu trennen und dann ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken.     

Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
Quelle: King B. R. et al.: Changes in Altitude Cause Unintended Insulin Delivery From Insulin Pumps - Mechanisms and Implications. Diabetes Care 2011, 34: 1932-1933.

 

Siehe auch:

Mit der Insulin-Pumpe im Flugzeug: Vorsicht, die Insulin-Abgabe verändert sich

 


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