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Für welche Patienten ist ein tiefer HbA1c-Wert gefährlich?

16.04.2010 In der ACCORD-Studie wurde gezeigt, dass bei Menschen mit Typ 2-Diabetes die Blutzuckereinstellung auf einen nahezu normalen HbA1c-Wert mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden ist. In einer sogenannten Subanalyse sollte nun geklärt werden, welche Patientengruppen mehr oder weniger gefährdet sind.

In der ACCORD-Studie wurden 10.251 Patienten mit Typ 2-Diabetes entweder mit vielen Medikamenten aggressiv auf einen HbA1c-Zielwert im Normbereich von unter 6,0% (Interventionsgruppe) oder auf einen HbA1c-Zielwert von 7,0 - 7,9% (Kontrollgruppe) eingestellt. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil in der intensiv behandelten Interventionsgruppe mehr Studienteilnehmer verstorben waren (n=257) als in der Kontrollgruppe (n=203).

Ergebnis der Subanalyse: Weder ein höheres Lebensalter noch eine längere Diabetesdauer oder eine Herz-Kreislauf-Erkrankung in der Vorgeschichte wiesen auf die besondere Gefährdung hin. Die Verwendung von Aspirin und ein HbA1c-Wert von über 8,5 % beim Einstieg in die Studie waren aber geringfügig häufiger mit späteren Todesfällen verbunden.
Jedoch hatten Probanden aus der Interventionsgruppe, die zu Beginn der Studie über eine Neuropathie oder über Nervenprobleme berichteten, ein höheres Risiko zu versterben als andere. Diese Patienten hatten aber nicht häufiger eine objektiv nachweisbare diabetische Neuropathie oder Amputationen.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse dieser Subanalyse lassen keinen eindeutigen Schluss zu, welche Patienten man auf einen HbA1c-Wert im Normbereich einstellen kann, ohne sie zu gefährden.

Kommentar: Die diabetische Neuropathie ist als Risikofaktor für eine erhöhte Sterblichkeit bei Diabetes bekannt. Diese lag hier aber objektiv nicht häufiger vor. Schwere Unterzuckerungen, wie sie in der ACCORD-Studie in der Interventionsgruppe sehr häufig aufgetreten sind, sind beim Vorliegen einer Neuropathie des Herzens (kardiale autonome Neuropathie) gefährlich. Wie wir wissen, können schwere Unterzuckerungen bei Menschen mit einer autonomen Neuropathie gefährliche Herzrhythmusstörungen verursachen. Eine Diagnostik für das Vorliegen einer autonomen Neuropathie ist hier aber nicht erfolgt oder beschrieben.

Es ist auch möglich, dass bei der anfänglichen Befragung der Probanden nach „Nervenproblemen“ Depression, Angst und andere psychische Symptome mit erfasst wurden. Diese sind bei Diabetes mit einer erhöhten Zahl von Komplikationen und auch mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden.


Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr.5, 40225 Düsseldorf

Quelle: J. Calles-Escandón et al.: Effect of intensive compared with standard glycemia treatment strategies on mortality by baseline subgroup characteristics: the Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes (ACCORD) trial. Diabetes Care 2010; 33: 721-727.


Siehe auch
Ist ein höherer HbA1c bei Typ 2-Diabetes günstig?
Neue Erkenntnisse zur Blutzuckersenkung bei kritisch kranken Patienten




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