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Beeinflusst das Wohnungsumfeld die Entwicklung von Fettsucht und Diabetes?

10.04.2012 Die Frage, ob das Wohnungsumfeld direkt zu der Entwicklung einer Fettsucht und eines Diabetes beiträgt, ist bisher ungeklärt. In einer großen amerikanischen Studie wurde dazu ein spannendes soziales Experiment durchgeführt.

Die erstaunlichen Ergebnisse wurden in dem renommierten Wissenschaftsjournal New England Journal of Medicine vorgestellt: Von 1994 bis 1998 hatte das sogenannte Department of Housing and Urban Development in den USA insgesamt 4.498 Frauen mit Kindern, die in öffentlichen Gebäuden mit Bewohnern aus niederen Einkommens-Schichten lebten (mehr als 40% der Bewohner unter der Armutsgrenze) getestet. 1.788 Frauen wurden Gutscheine angeboten, die sie nur einlösen konnten, wenn sie in einem Gebäude mit Bewohnern von höherem Einkommen (weniger als 10% der Bewohner unter der Armutsgrenze) wechselten. Sie wurden dabei auch entsprechend beraten. Eine weitere Gruppe von
 1.312 Frauen erhielt nur den Gutschein, ohne eine spezielle Beratung, die Wohnung zu wechseln und eine dritte Gruppe von 1.398 Frauen wurde als Kontrollen herangezogen, die weder einen Gutschein, noch eine Beratung zum Wohnungswechsel erhielten. Zwischen 2008 und 2010 wurden Körpergröße, Körpergewicht und HbA1c-Wert der Probanden bestimmt.

Ergebnisse: Die medizinischen Daten konnten von allen 3 Gruppen gleichermaßen gut erhoben werden. Der Body-Mass-Index als Ausdruck für die Gewichtsklasse als auch der HbA1c-Wert als Maß für Diabetes und die Diabetes-Einstellung waren signifikant tiefer in der Gruppe, die Gutscheine für arme Menschen bekam und die Option für einen Wechsel des Wohnungsumfeldes (mit Beratung) erhielten. Es war kein Unterschied zwischen der Gruppe, die nur Gutscheine (ohne Beratung) erhielt und der Kontrollgruppe  festzustellen.

Der Wechsel von einem Wohnungsumfeld mit einem hohen Anteil an Mietern mit niedrigem Einkommen in ein besseres soziales Umfeld zu wechseln, ist offenbar mit einer Verminderung des Auftretens von extremer Fettsucht und Diabetes verbunden.

Kommentar: Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass Menschen mit einem niedrigen Einkommen ein höheres Risiko für Fettsucht und Diabetes aufweisen und dass bei solchen Menschen auch vermehrt und verstärkt Komplikationen des Diabetes auftreten. Das hier vorgelegte Experiment zeigt jedoch eindrucksvoll, dass dabei das Wohnungsumfeld als wesentlicher Teil des sozialen Umfeldes eine ganz entscheidende Rolle spielt, welches nicht alleine durch finanzielle Anreize zu kompensieren ist.

Autor: Prof. Dr. med. W.A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf

Quelle:  J. Ludwig et al: Neighborhoods, Obesity, and Diabetes – A Randomized Social Experiment, New England Journal of Medicine, N Engl J Med 2011; 365: 1509-1519.

 

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