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Medikament zur Gewichtsreduktion fördert Herzinfarkt und Schlaganfall

07.09.2010 Übergewicht oder Fettsucht sind ein treibender Faktor für den Typ 2 Diabetes sowie für Erkrankungen mit dem Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und frühzeitigen Tod. Eine Gewichtsreduktion mit dem Medikament Sibutramin (Reductil®) zu einer erhöhten Rate von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Dieses unerwartete Ergebnis erbrachte die aktuell publizierte SCOUT-Studie

In die SCOUT-Studie wurden 10.744 Patienten mit Übergewicht oder Fettsucht und vorbestehenden Herz-Kreislauferkrankungen und/oder Typ 2 Diabetes aus 16 Ländern in Europa, Nordamerika, Südamerika und Australien eingeschlossen. Der Altersdurchschnitt der Patienten betrug 62 Jahre, das mittlere Körpergewicht lag bei 96 kg. Die Studienteilnehmer wurden entweder mit Sibutramin oder mit einem Scheinmedikament (Plazebo) behandelt. Die Annahme war, dass eine durch Sibutramin (Reductil®) herbeigeführte Gewichtsreduktion auch zu einer Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse führt.

Ergebnisse: Der mittlere Gewichtsverlust in der 6-wöchigen Eingangsphase unter Sibutramin betrug 2,6 kg. Danach gelang bei den mit Sibutramin behandelten Patienten eine weitere Gewichtsreduktion von 1,7 kg über 12 Monate, während die Plazebo-Gruppe in Durchschnitt 0,7 kg an Gewicht zulegte. Die Studie wurde nach 3,4 Jahren beendet. Insgesamt war das kardiovaskuläre Risiko in der Sibutramin-Gruppe gegenüber Plazebo um 16% erhöht. Unter Sibutramin traten mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle auf.

Zusammenfassung: Bei Patienten mit vorbestehenden Herz-Kreislauferkrankungen erhöht eine Langzeitbehandlung mit dem Gewichtssenker Sibutramin das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Patienten mit Diabetes und ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung hatten unter Sibutramin jedoch kein erhöhtes Risiko.

Kommentar und Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der SCOUT-Studie sind eindeutig. Es war aber auch höchste Zeit, dass eine solche Studie mit einer Untersuchung des Nettoeffekts einer Gewichtssenkung mit Sibutramin aufgelegt worden ist. Die wesentlichen Daten waren den Behörden schon seit Ende 2009 bekannt, so dass sich die europäische Zulassungsbehörde EMA bereits im Januar 2010 dazu entschlossen hat, alle Sibutramin-haltigen Medikamente in den Ländern der EU vom Markt zu nehmen.

Wenn auch in der SCOUT-Studie Diabetespatienten ohne vorbestehende Herz-Kreislauferkrankung mit Sibutramin keine erhöhte Rate von Herzinfarkt und Schlaganfall aufwiesen, so ist die Rücknahme von Sibutramin durch die EMA doch gerechtfertigt, denn bei Diabetespatienten liegen häufig unerkannte Herz-Kreislauferkrankungen vor. Nach der Rücknahme von Fenfluramin und Dexfenfluramin im Jahre 1997 ist dies nun wieder ein Gewichtssenker, der den Patienten viel versprochen hatte, aber wegen schwerer Nebenwirkungen vom Markt genommen werden musste.

Unabhängig von der Diskussion um die Auswirkungen von Sibutramin auf Herz und Kreislauf muss man sich auch fragen, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, einem Patienten über Jahre hinweg ein Medikament zu geben, um im Endeffekt eine Gewichtsreduktion von etwa 4 kg zu erreichen. Dies lässt sich durch geeignete Programme zur Änderung des Lebensstils mit mehr Bewegung und einer gesünderen Kost wahrscheinlich besser erreichen.

Positiv kann vermerkt werden, dass SCOUT ist die erste prospektiv angelegte kontrollierte Studie zu einem Medikament zur Behandlung der Fettsucht ist. Die Studienteilnehmer haben von der intensiven Begleitung in der Studie und den neuen Konzepten für eine längerfristige Behandlung des  Übergewichts zusätzlich profitiert.

Autor: Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum
Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie
Universitätsklinikum Düsseldorf

Professor Scherbaum war nationaler Koordinator der SCOUT-Studie in Deutschland.

Quellen:
W.P.T. James et al.: Effect of Sibutramine on Cardiovascular Outcomes in Overweight and Obese Subjects. New Engl. J. Med. 2010; 363: 905-917

G.D. Curfman, S. Morrissey, J.M. Drazen: Sibutramine – Another Flawed Diet Pill (Editorial). New Engl. J. Med. 2010; 363:972-974.

Siehe auch:

Gewichtsabnahme: Welche Maßnahmen sind wirksam?
Gewichtsabnahme bei Diabetes – Ergebnisse der Look AHEAD Studie

Diabetes Editorial
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