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    Diabetische Fußveränderungen und ihre Folgen, ein vermeidbares Schicksal
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    Diabetische Fußveränderungen und ihre Folgen, ein vermeidbares Schicksal

    Das diabetische Fußsyndrom stellt ein zentrales Problem im Gefüge diabetischer Folgeschäden dar. Obwohl die Deklaration von St. Vinzenz die Reduktion Diabetes-bedingter Amputationen gefordert hat, sind die Ergebnisse dieser Bemühungen frustrierend. Nach wie vor werden in Deutschland bei Diabetikern jährlich rund 28.000 Amputationen an den unteren Extremitäten (Beine) durchgeführt. 

    Prof. Dr. med. Thomas Haak
    Prof. Dr. med.
    Thomas Haak,
    Chefarzt
    Diabetes Zentrum;
    Bad Mergentheim
    Hier eine Übersicht über diesen Beitrag:

    Aktueller Stand

    Das diabetische Fußsyndrom stellt ein zentrales Problem im Gefüge diabetischer Folgeschäden dar. Obwohl die Deklaration von St. Vinzenz die Reduktion Diabetes-bedingter Amputationen gefordert hat, sind die Ergebnisse dieser Bemühungen frustrierend.
    Nach wie vor werden in Deutschland bei Diabetikern jährlich rund 28.000 Amputationen an den unteren Extremitäten (Beine) durchgeführt. Dies entspricht etwa 70 Prozent aller nicht-unfallbedingten (nicht-traumatischen) Amputationen, wobei die Amputationshäufigkeit durch die Umsetzung der bekannten Evidence-based Konzepte leicht halbiert werden könnte.

    Kann man diabetischen Fußgeschwüren vorbeugen?

    Die Ursachen für Geschwüre (Ulcera) an den Füßen, die sich ausdehnen und im schlimmsten Fall auch zur Amputation von Teilen der Füße führen können, sind eigentlich einfach zu erklären. Diese Ursachen zu kennen ist hilfreich, weil kein Fuß eines Betroffenen von heute auf morgen Geschwüre bekommt, sondern dies eine gewisse Zeit dauert.
    Wenn man die ersten Anzeichen für diabetische Fußveränderungen rechtzeitig erkennt, erhält man die Chance, noch vor Auftreten von größeren Problemen einzugreifen und Fußwunden zu vermeiden.

    Schuh, Fuß, Füße
    Abb. 1: Geeignetes Schuhwerk gehört zu den wichtigsten Maß-
    nahmen zur Vorbeugung des diabetischen Fußsyndroms

    Durchblutungsstörungen als Ursache für Fußwunden

    Am einfachsten zu erklären ist die Durchblutungsstörung. Da der Diabetes mellitus und ganz besonders der Typ-2-Diabetes oft auch mit einem Anstieg des Blutdrucks und einer Fettstoffwechselstörung einhergeht, sind die Gefäße einem besonderen Risiko für Verengungen ausgesetzt.
    Im Vergleich zum Raucherbein des Nichtdiabetikers sind die Verengungen der blutführenden Gefäße, das heißt der Arterien, häufiger im Bereich des Unterschenkels und des Fußes selbst und nicht etwa in den höheren Etagen des Beckens oder der Oberschenkel zu finden. Dies macht die Behandlung komplizierter, da die Gefäße kleiner sind und einer Aufdehnung mit einem Ballonkatheter oder einer Überbrückung der Engstellen durch einen Bypass nicht so leicht zugänglich sind. Durch die Gefäßverengung kommt es zu einer Minderung der Blutversorgung im Bereich des Unterschenkels und des Fußes. Dies macht sich insbesondere im Bereich der Zehen und des Vorfußes bemerkbar, so dass diese sich als erstes in der Farbe verändern, das heißt bläulich oder blass werden und schließlich durch die Gewebeschwellung bei kleinsten Verletzungen nicht mehr durchblutet werden.

    Nervenstörungen als Ursache für Fußwunden

    Häufiger als die Durchblutungsstörung sind Nervenstörungen die Ursache für Fußwunden.
    Ein Hauptproblem diabetischer Nervenveränderungen ist der Verlust der Schweißsekretion. Da die Funktion der Schweißdrüsen durch Nerven des sogenannten unwillkürlichen Nervensystems (autonomes Nervensystem) gesteuert werden, findet bei Verlust dieser Nervenfunktion keine Schweißsekretion mehr statt. Da der Fußschweiß allerdings für die Elastizität der Haut und für eine gesunde Hautoberfläche verantwortlich ist, findet sich bei Verlust der Schweißsekretion häufig eine trockene, spröde Haut, die zu Einrissen neigt und damit ideale Voraussetzung für das Einnisten von Bakterien oder anderen Keimen, wie beispielsweise Hautpilzen ist.
    Wenn man eine spröde und trockene Haut bei sich feststellt, ist es oberstes Gebot, die fehlende Schweißsekretion durch gutes Eincremen der Füße zu ersetzen. Damit schafft man wieder eine elastische und gesunde Hautoberfläche und kann somit Infektionen bereits im Anfangsstadium vermeiden.

    Muskelschwund (Muskelatrophie) als Ursache für Fußwunden

    Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer diabetischen Fußschädigung ist der Verlust der Nervenversorgung an den Fußmuskeln.
    Werden die Fußmuskeln, die beispielsweise die Zehen bewegen oder die Bewegung des Fußes überhaupt ermöglichen, nicht mehr mit Nerven versorgt, so schwindet die Muskelmasse. Da die Muskeln aber nicht nur wichtig sind für die Bewegung der Füße, sondern auch als Druckpolster wirken, entstehen Veränderungen an der Fußform und damit ein erhöhtes Druckaufkommen an manchen Teilen des Fußes, z. B. am Fußballen oder an den Zehen.
    Dies beantwortet die Haut immer mit der Ausbildung von Hornhaut. Eine übermäßige Hornhautbildung führt zu einem vermehrten Druck auf das Gewebe, so dass feinste Gefäße, die die Haut mit Blut versorgen, einreißen können und sich ein Bluterguss unter der Hornhautschwiele bildet. Diese Blutergüsse können sich infizieren und im schlimmsten Fall zu einer Eiteransammlung unter der Haut führen.
    Man kann den Prozess bereits im Anfangsstadium verhindern, indem Hornhaut sorgfältig entfernt wird. Dies sollte schonend z. B. mit einem Bimsstein geschehen und nicht etwa mit Eisenhobeln oder Hornhautpflastern.

    Fußpflege
    Abb. 2: Vorsichtiges Entfernen der
    Hornhaut, z.B. mit einer Feile oder
    einem Bimsstein
    Foto: Prof. Dr. med. Thomas Haak

    Behandlung von Fußwunden

    Selbst kleinste Wunden oder auch Eiteransammlungen unter Hornhautplatten müssen sofort und sorgfältigst behandelt werden. Daher lautet die Devise: desinfizieren, mit einem Pflaster abdecken und sofort zu einem Arzt, der sich mit diabetischen Fußveränderungen auskennt.
    Die Behandlung aller Fußwunden folgt drei wesentlichen Prinzipien, die sowohl vom Patienten selbst, als auch vom behandelnden Arzt strikt befolgt werden müssen.

    1. Das wichtigste Prinzip ist die Druckentlastung auch bei bereits kleinsten Fußverletzungen.
    Druck auf eine kleine Wunde beispielsweise am Fußballen führt immer zu einer Ausdehnung der Wunde in tiefere Gewebeschichten. Im schlimmsten Fall wird sogar der Knochen erfasst und die Behandlung verlängert sich oder der Behandlungserfolg ist in Frage gestellt. Daher ist die Druckentlastung oberstes Gebot und lässt sich auch einfach erreichen durch spezielle entlastende Schuhe, z. B. einen Vorfußentlastungsschuh

    2. Das nächste Prinzip ist die sorgfältige Wundbehandlung.
    Das heißt, alle Teile der Wunde, die den Heilungsverlauf stören können, sind sorgfältig zu entfernen. Die Behandlung tut bei einer bestehenden Nervenschädigung in der Regel nicht weh und kann daher konsequent durchgeführt werden. In Abhängigkeit vom Wundstadium ist es notwendig, die Wunde entweder trocken oder aber auch feucht zu halten. Insbesondere, wenn die Wunde infektfrei ist und bereits gut zu heilen beginnt, erleichtert eine feuchte Wundbehandlung den Heilungsverlauf.

    3. Das dritte Therapieprinzip ist die Infektbekämpfung.
    Dies lässt sich in der Regel durch Antibiotika in Tablettenform erreichen. Jeder Infekt stört immer die Wundheilung, so dass eine gute und breite Antibiotika-Therapie solange durchgeführt werden muss, bis keine Infektzeichen mehr bestehen.

    In jedem Falle ist vor einer vorschnellen Amputation zu warnen. Sind Amputationen auch nicht in jedem Falle zu vermeiden, so sollten diese doch auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben.

    Schuh, Geschäft, Mann, Frau
    Abb. 3: Sorgfältige Aus-
    wahl des Schuhwerks
    bei einem spezialisierten
    Schuhmacher

    Vorbeugung (Prävention)

    Eine gute Blutzuckereinstellung, Schulung der Patienten und eine gute Fußpflege sind in der Vorbeugung von Fußwunden (Prävention) besonders wichtig. Das Risiko für weitere Fußwunden ist auch nach der Abheilung stets gegeben. Einen weiteren wesentlichen Beitrag, dies zu verhindern, leisten besondere Schuhe. In Absprache mit dem behandelnden Arzt sollte Schuhwerk ausgewählt werden , das dem jeweiligen Problem des Patienten am besten entspricht. Dies können sowohl konfektionierte Schutzschuhe sein oder in besonderen Fällen auch Maßschuhe. Von besonderer Wichtigkeit ist eine gute Fußbettung mit individuell angefertigten Einlagen aus Weichschaum. Mit diesen Maßnahmen lassen sich neue Fußprobleme in der Regel gut vermeiden. Wichtig ist jedoch, dass sowohl Schuhe als auch Einlagen regelmäßig überprüft und bei Abnutzung erneuert werden.

    Neue Aspekte in Forschung und Entwicklung

    In neuerer Zeit finden sich ferner Wachstumsfaktoren im klinischen Einsatz. Einige Daten belegen, dass die Gabe von einzelnen Wachstumsfaktoren direkt in den Wundbereich oder auch von "Wachstumsfaktor-Cocktails" in experimentellen Modellen positive Effekte auf die Wundheilung haben kann. Durch die gentechnologische Herstellung einzelner Wachstumsfaktoren sind diese nunmehr unbegrenzt verfügbar und werden trotz hoher Kosten auch zunehmend klinisch eingesetzt.
    Einige Studien weisen eine erhöhte Abheilungsrate und eine kürzere Heilungsdauer unter Einsatz von Wachstumsfaktoren im Vergleich zu Placebo nach.
    Dies konnte auch für das bereits auf dem Markt eingeführte Becaplermin (Regranex) nachgewiesen werden. Dennoch sind die Studien aufgrund der Schwierigkeit einer Standardisierung diabetischer Fußwunden (Fußulcera) mit Vorsicht zu beurteilen. Die Zukunft wird letztendlich über eine zunehmende Erfahrung mit Wachstumsfaktoren über deren klinischen Erfolg entscheiden.

    Ein sehr erfolgreiches Therapieverfahren kommt vor allen Dingen bei den Patienten zum tragen, bei denen die Wunden schwer sauber zu halten sind. Hier hilft die sogenannte Biochirurgie weiter. Darunter versteht man nichts anderes, als den Einsatz steril gezüchteter Fliegenmaden, die die Wunden exzellent reinigen ohne gesundes Gewebe zu beschädigen. Vor allen Dingen durchblutungsgestörte Wunden können auf diese Weise einfach und effektiv gereinigt werden. Für die Patienten ist das Behandlungsverfahren nicht unangenehm, es erfordert jedoch eine Erfahrung seitens der Therapeuten.

    Eine Renaissance eines schon seit vielen Jahren bekanntem Therapieverfahrens erlebt derzeit die sogenannte Vakuumtherapie. Hier wird ein luftdichter Verband über die Wunde gelegt, über den ein Sog auf die Wunde gegeben wird. Hierzu ist eine sogenannte Vakuumpumpe notwendig, die kontrolliert Sog aufrecht erhalten kann. Durch diese Maßnahme kommt es zu einer sehr guten Wundreinigung, einem hervorragenden Abfließen von Wundsekret und einer raschen Bildung von neuem Gewebe, welches die Wundhöhle ausfüllt. Allerdings ist diese Therapie sehr teuer und wird zumindest im ambulanten Bereich noch nicht von den Kassen vergütet.

     

    Prof. Dr. med. Thomas Haak, Chefarzt Diabetes Zentrum Mergentheim

    Aktualisiert: Januar 2005

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