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Schwerpunkt: Endokrinologie / Diabetologie

Multiple Endokrine Neoplasie (MEN)


Definition
Bei der multiplen endokrinen Neoplasie handelt es sich um eine autosomal dominant vererbbare Erkrankung, die zu Tumoren mit unterschiedlichem Befallsmuster an mehreren endokrinen Organen führt.

Einteilung der multiplen endokrinen Neoplasie

Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN 1)
Synonym: Wermer-Syndrom: Dabei besteht folgende Konstellation:

  1. Primärer Hyperparathyreoidismus (in 80-95%) mit multiplen Adenomen oder Hyperplasien an allen 4 Nebenschilddrüsen.
  2. Inselzelltumoren des Pankreas (in 30-80%). In der Hälfte der Fälle handelt es sich um Gastrinome, die sich klinisch als Zoller-Ellison-Syndrom manifestieren. Bei einem Drittel der Fälle handelt es sich um Insulinome. Seltener sind Glucagonome, VIPome, PPome und Somatostatinome.
  3. Hypophysenadenome kommen bei MEN1 in bis zu 90% der Fälle vor. Dabei handelt es sich meist um Prolaktinome, in einem Viertel der Fälle um Wachstumshormon-produzierende Adenome, und in 12% der Fälle um ACTH-sezernierende Adenome.
  4. Bei MEN1 kommen in 25-40% mit den oben genannten Tumoren assoziiert auch adrenocorticale Tumoren, Karzinoide und Lipome vor.

MEN 2A
Synonym: Sippel-Syndrom. Dieses macht 40% der Fälle der multiplen endokrinen Neoplasien (MEN) aus. Dabei sind folgende Tumoren assoziiert:

  1. Familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom in 100% der Fälle.
  2. Phäochromozytome in 25-70% der Fälle (häufig bilateral).
  3. Primärer Hyperparathyreoidismus (in 10-85% der Fälle).

MEN 2B
Dieses macht 10% aller Fälle von MEN aus. Dabei sind folgende Tumoren und Phänomene assoziiert:

  1. Familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom (100% der Fälle).
  2. Phäochromozytome (45-100% der Fälle), häufig bilateral.
  3. Schleimhaut-Neurinome und Haut-Fibrome (80-100% der Fälle).
  4. Megakolon.
  5. Marfanoider Habitus.

Epidemiologie der MEN
Ca. 3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Manifestationsalter zwischen dem 2. und dem 60. Lebensjahr, Altersgipfel zwischen dem 3. und 4. Lebensjahrzehnt.

Ätiopathogenese
Der multiplen endokrinen Neoplasie vom Typ 1 (MEN 1) liegen verschiedene Mutationen des Meningens zugrunde. Dieses befindet sich auf Chromosom 11. Die multiple endokrine Neoplasie vom Typ 2 (MEN 2) beruht auf verschiedenen Mutationen des RET-Protoonkogens, das auf Chromosom 10 lokalisiert ist.

Diagnostik
Wichtig sind Familienanamnese und Eigenanamnese. Als Ausgangspunkt dienen häufig einzelne pathologische Laborwerte wie z.B. Hyperkalzämie und/oder verschiedene Symptome wie Tachykardie, die auf eine endokrine Erkrankung hinweisen. Wenn bereits eine der oben genannten endokrinen Erkrankungen bekannt ist, so legt das Auftreten einer zweiten solchen Erkrankung das Vorliegen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) nahe. Bei einem medullären Schilddrüsenkarzinom und beim Phäochromozytom muss immer nach einer MEN gefahndet werden, insbesondere bei familiärem Vorkommen. Die Diagnose einer multiplen endokrinen Neoplasie wird durch den Nachweis MEN-spezifischer Mutationen gesichert.

Das Screening auf MEN beinhaltet:
Die Untersuchung von Kalzium, Phosphat und Parathormon im Serum.
Den Prolaktinbasalwert (Suche nach einem Hypophysenadenom).
Den Pentagastrintest mit Calcitoninbestimmung (Suche nach einem medullären Schilddrüsenkarzinom).
Das Phäochromozytom-Screening.

Darüber hinaus ist eine umfangreiche endokrinologische Funktionsdiagnostik erforderlich, insbesondere zur Suche nach Tumoren des endokrinen Pankreas. Dazu gehören unter anderem die Bestimmung der Basalwerte für Gastrin, Insulin, Proinsulin, Glukose, der Hungerversuch sowie die Untersuchung des vasoaktiven intestinalen Polypeptids (VIP), des pankreatischen Polypeptids und der 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin. Dabei müssen die spezifischen endokrinologischen Untersuchungsbedingungen beachtet werden.

Bei der Diagnostik der multiplen endokrinen Neoplasie vom Typ 2 (MEN 2) spielt die Bestimmung von Calcitonin im Serum eine entscheidende Rolle. Ein normaler Calcitonin-Basalwert und ein fehlender Anstieg im Pentagastrintest schließen ein medulläres Schilddrüsenkarzinom jedoch nicht aus. Eventuell ist die zusätzliche Bestimmung von CEA oder weiterer ektop gebildeter Hormone wie ACTH, TRH und VIP hilfreich.

Bildgebende Diagnostik
Bei Verdacht auf MEN 1: Sonographie der Schilddrüse und des Abdomens. MRT der Hypophysenregion und Abdomen-CT. Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie mit Indium-markiertem Octeotid.

Bei Verdacht auf MEN 2: Sonographie und eventuell CT der Halsregion, MRT der Nebennierenregion und bei Verdacht auf Phäochromozytom Szintigraphie mit jodmarkiertem MIBG.

Familienscreening: Es wird von einem Indexpatienten ausgegangen, bei dem ein bestimmter Mutationsnachweis erbracht worden ist. Die Familienangehörigen werden auf diese Mutation hin getestet. In der Regel weisen die betroffenen Angehörigen einer Familie das gleiche Befallsmuster auf. Danach erfolgen die gezielten Funktionstests zum Nachweis oder Ausschluss des Tumors.

Therapie
Resektion des entsprechenden Tumors bzw. spezifische medikamentöse Therapie oder Strahlentherapie. Bei MEN 2 sollte immer eine Thyreoidektomie und bei älteren Kindern sowie Erwachsenen zusätzlich eine zentrale Lymphadenektomie erfolgen, zumal ein hohes Risiko für eine frühzeitige Metastasierung besteht. Wenn zusätzlich ein Phäochromozytom vorliegt, sollte letzteres zuerst operiert werden und dann erst das medulläre Schilddrüsenkarzinom bzw. andere Tumoren. Planung und Durchführung der Therapie müssen unbedingt in einem endokrinologischen Zentrum erfolgen.

Cave: Abklärung und Therapie einer Multiplen Endokrinen Neoplasie (MEN) sollten unbedingt in einem endokrinologischen Zentrum erfolgen.

Autor:  Professor Dr. med. W.A. Scherbaum
Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie
des Universitätsklinikums Düsseldorf
Für weitere Informationen: scherbaum@uni-duesseldorf.de

Quelle: www.multiple-endokrine-neoplasie.info