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    Risiko für Hypoglykämien und Hyperglykämien durch Anwendung des Antibiotikums Gatifloxacin
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    Risiko für Hypoglykämien und Hyperglykämien durch Anwendung des Antibiotikums Gatifloxacin

    (17.03.2006) Nach einer im New England Journal of Medicine kürzlich online veröffentlichten Studie birgt die ambulante Behandlung mit dem neuen Antibiotikum Gatifloxacin bei älteren Patienten ein erhöhtes Risiko sowohl für Hypoglykämien als auch für Hyperglykämien. Eine Forschergruppe aus Toronto, Kanada, hat die Krankenakten aller Einwohner der Provinz Ontario, die 66 Jahre oder älter sind, rückwirkend daraufhin untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Einnahme bestimmter Antibiotika mit sehr breiter Wirkung (sog. Breitspektrum-Antibiotika) und einer stationären oder ambulanten Krankenhausbehandlung für Unterzuckerung oder zu hohe Blutzuckerspiegel gibt.


    Foto: AOK-Bundesverband

    Breitspektrum-Antibiotika vom Typ der Fluoroquinolone (zu dieser Gruppe gehört auch Gatifloxacin) zählen in den USA zu den am meisten verschriebenen Anibiotika, nicht zuletzt deshalb, weil man glaubte, sie seien besonders nebenwirkungsarm. In den USA und Kanada ist Gatifloxacin seit 1999 zugelassen (Tequin®), in Deutschland seit 2001 (Bonoq®, Bonoq® Uro). Es ist allgemein anerkannt, dass die verfügbaren Fluoroquinolone ein unterschiedliches Wirkungsspektrum besitzen, aber ihre unterschiedlichen Nebenwirkungen werden jetzt auch immer mehr erkannt. Es gibt einige wenige Daten dafür, dass die Einnahme von Gatifloxacin mit einem erhöhten Risiko für Hypoglykämien und Hyperglykämien verbunden ist. Obwohl der Mechanismus dieser offensichtlich gegensätzlichen Nebenwirkungen noch nicht bekannt ist, haben Tierexperimente und kleinere Studien mit freiwilligen Versuchspersonen bereits auf die Möglichkeit eines solchen Doppeleffektes hingewiesen.

    Die Beliebtheit der Fluoroquinolone und die potentiell lebensgefährlichen Folgen einer Stoffwechselentgleisung haben die Forscher aus Toronto dazu veranlasst, diese groß angelegte Fall-Kontroll-Studie durchzuführen. Dazu haben sie die Akten aller über 65 Jahre alten Einwohner der Provinz Ontario (über 1,4 Millionen) daraufhin durchsucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Antibiotika-Einnahme und nachfolgender ambulanter oder stationärer Krankenhausbehandlung wegen einer Stoffwechselentgleisung gibt. Der Aufbau des kanadischen Gesundheitswesens als ein einheitliches staatliches System, in dem fast alle Bewohner, Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken registriert sind, ermöglicht eine derartige flächendeckende Studie in besonderer Weise. So identifizierten die Forscher alle über 65 Jahre alten Einwohner, die von April 2002 bis März 2004 ein verschreibungspflichtiges Breitspektrum-Antibiotikum von einer Apotheke erhalten hatten und verglichen sie mit allen Patienten, die während des gleichen Zeitraumes in einem Krankenhaus ambulant oder stationär wegen Hypoglykämie oder Hyperglykämie behandelt wurden.

    In einem ersten Studienabschnitt analysierten sie alle Patienten, die ein Antibiotikum aus der Gruppe der Makrolide (Erythromycin, Clarithromycin oder Azithromycin), Cephalosporine der zweiten Generation oder Fluoroquinone (Gatifloxacin, Levofloxacin, Moxiflocacin, Ciprofloxacin) erhalten hatten und während der darauf folgenden 30 Tage in einem Krankenhaus ambulant oder stationär wegen Hypoglykämie behandelt wurden.

    Patienten, die Antibiotika aus mehr als einer Gruppe erhalten hatten, wurden von der Studie ausgeschlossen. Für die so identifizierten Patienten wurde eine Kontrollgruppe mit Patienten ausgewählt, die ebenfalls ein Antibiotikum bekamen und keinen Krankenhausbesuch hatten, aber ansonsten ähnlich waren (in Alter, Geschlecht, Diabetes bekannt oder nicht).
    In einem zweiten Studienabschnitt analysierten sie in der gleichen Weise alle Patienten, die wegen einer Hyperglykämie behandelt wurden und bestimmten ebenfalls eine Kontrollgruppe.
    Insgesamt wurden 788 Patienten identifiziert, die innerhalb von 30 Tagen nach Antibiotikagabe wegen einer Hypoglykämie behandelt wurden und 470 Patienten, die wegen einer Hyperglykämie behandelt wurden.

    Ergebnisse:

    • Verglichen mit den Makrolid-Antibiotika hatte Gatifloxacin ein 4,3-fach erhöhtes Risiko einer Krankenhausbehandlung wegen Hypoglykämie
    • Levofloxacin hatte ein leicht erhöhtes Risiko von 1,5
    • Alle anderen untersuchten Antibiotika hatten kein erhöhtes Risiko
    • Verglichen mit Makrolid-Antibiotika hatte Gatifloxacin ein fast 17-fach erhöhtes Risiko für eine Krankenhausbehandlung wegen Hyperglykämie
    • Bei den anderen Antibiotika wurde kein erhöhtes Risiko gefunden

    Das Risiko für Hypo- oder Hyperglykämie war unabhängig davon, ob bei den Patienten ein Diabetes bekannt war oder nicht.

    Die Forscher aus Toronto ziehen die Schlussfolgerung, dass im Vergleich zu anderen Breitspektrum-Antibiotika Gatifloxacin mit einem erhöhten Risiko einer Krankenhausbehandlung sowohl wegen Hypoglykämie als auch wegen Hyperglykämie assoziiert ist. Sie glauben, dass ihre Ergebnisse wichtige Implikationen für die Praxis haben. Ärzte und Apotheker sollten sich des erhöhten Risikos potentiell lebensgefährlicher Zuckerstoffwechselstörungen während einer Gatifloxacin-Behandlung bewusst sein. Patienten sollten vor eine Behandlung angewiesen werden, auf Symptome einer Hypoglykämie oder Hyperglykämie zu achten und in diesem Falle umgehend ärztliche Hilfe suchen.


    Dr. med. Heinz Nagel, Deutsche Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung

    Quelle: Park-Wyllie L, Juurlink D, Kopp A et al. Outpatient Gatifloxacin Therapy and Dysglycemia in Older Adults. N Engl J Med 2006. Online veröffentlicht am 1. März 2006. www.nejm.org (10.1056/NEJMoa055191)

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